Gedanken über das Leben, Weihnachten und vieles mehr
29. November 18
Letztens fragte mich meine Jüngste aber: „Wann holen wir endlich das Geschmücke (aka Weihnachtsdeko) aus dem Keller?“ Der Anlass für diese Frage war das Paket das am selben Tag gekommen war: ein Paket mit silbernen Papierweihnachtssternen (zu sehen in meinen Instastories).
Ich hatte diese zufällig im Netz gefunden und direkt bestellt: nur 8 Euro, zeitlos, schön. Zufällig im Netz gefunden stimmt eigentlich nicht. Ich hatte silberne Sterne auf einem Blog gesehen, fand sie toll und hab danach gesucht. Und welche gefunden und bestellt.
Ich habe nun keine 4 Kisten Weihnachtsschmuck, aber brauchen tue ich die neuen Sterne nicht. Überhaupt: Wer braucht schon Weihnachtsschmuck. Aber wenn ich durch Blogs oder Instagram schmökere möchte ich welchen. Die Marketingmasche läuft bei mir…
So wie beim Bummel durch das liebstebesteschönste Geschäft in Holland: dort habe ich im Oktober ein weißes Stufengiebelhaus aus Porzellan mitgenommen, das mit einem Teelicht wunderschön aussieht: Als Erinnerung ans Lieblingsland auch in Dresden. Dafür wanderte ein anderes Teil in den Schrank und dabei dachte ich auch: Gebraucht hätte es das jetzt nicht. Aber schööööön ist es.
Dabei ermahnt ich mich im Alltag oft: Bücher kaufe ich meist gebraucht oder gehe gleich in die Bibliothek, Stoffe werden projektbezogen gekauft, Klamotten die neu kommen ersetzen kaputte, fleckige Sachen aus dem Bestand. Neue Deko sind eher mal Duftkerzen, die wir aber regelmäßig nutzen und dabei eben auch verbrauchen. Und trotzdem: ich könnte konsequenter sein und noch mehr ausmisten und noch mehr wiederstehen.
Dabei ist mir schon von Berufswegen klar wie Verkaufen funktioniert: einen Wunsch oder Bedarf beim Konsumenten wecken, den er vorher nicht hatte. Ihn sooft damit penetrieren und konfrontieren und zuballern bis er mitmacht und mitkauft! Interessant, das diese Masche trotzdem auch bei mir funktioniert.
Aktuell schaue ich mir alte Downton Abbey-Folgen an: Wenn die Töchter von Lady Grantham ein neues Kleid bekommen, wird eine große Sache daraus gemacht. Und obwohl alle mit Bediensteten in einem großen und reichen Landsitz leben, hat man das Gefühl, dass keiner große Besitztümer hat. Silber, Leinen, Bilder und Möbel werden gepflegt, erhalten, repariert.
Und obwohl sich die Serie über 12 Jahre im Leben der Familie erstreckt, wird weder an der Uniform der Hausmädchen, noch am Dekor noch am Aussehen von Haus, Park oder Garten irgendetwas sichtbar verändert. An Weihnachten wird ein Tannenbaum geschmückt und in der großen Halle aufgestellt, alle anderen Räume werden nicht dekoriert. Zu Festen wird Blumenschmuck verteilt und das war es. Alles was man hat wird genutzt, manches eben auch nur zu besonderen Anlässen.
Wenn ich mich bei uns zu Hause umsehe , finde ich es nicht voll oder zugestellt, aber trotzdem: ich wünsche mir, dass es immer noch weniger wird. Weniger Geld ausgegeben wird.
Aber eigentlich wünsche ich mir, dass ich mir weniger wünschen würde.
Wenn man mich fragt was ich mir zum Geburtstag wünsche fällt mir nichts ein. Aber wenn ich bei TK Maxx bin, kaufe ich Gesichtsserum und eine Duftkerze. Nichts schlimmes daran, aber warum?
Nicht zu kaufen wird häufig als KonsumVerzicht bezeichnet: aber setzt Verzicht nicht eben auch einen Wunsch voraus auf den „verzichtet“ wird. Müssen wie statt beim Verzicht nicht eher beim Wunsch ansetzen? Und woher kommt der Wunsch?
Zum Beispiel: Sander bittet mich, ihm einen Hoodie zu nähen. Ein Klassenkamerad (gleichzeitig der Sohn einer Freundin) hat von seiner Mama einen genäht bekommen und so einer soll es sein. Wir kucken durch die Stoffvorräte: Nix passendes dabei für Sander: senfgelb oder Weinrot soll der Pulli sein. Im Bestand: Sweatstoff in flaschengrün und dunkelblau (ehemals die Lieblingsfarben). „ Aber alle haben jetzt gelbe Hoodies oder Rote!“
Die alten Stoffe könnten auch irgendwann mal zum Einsatz kommen, sie „fressen kein Brot“ wie man bei uns sagt. Also könnte ich losgehen und gelben Sweatstoff kaufen. Geld ausgeben und dem Trend folgen. Oder ich stelle mich stur und nähe mit dem vorhandenen Stoff. Auf die Gefahr hin, dass das Kind den Hoodie nicht trägt. Was auch blöd wäre.
Was nun: Trend gegen Vernunft gegen Realität?
Klar, ich weiß: Trend ist Marketing: jedes Jahr eine neue Farbe die auftaucht: erst ab und zu und dann irgendwann immer mehr, genauso wie immer neue Marken (erinnert sich noch irgendwer an Ed Hardy?) Wir laufen wie die Lemminge hinterher. In der Masse mitzuschwimmen gibt uns Halt, Sicherheit, ein gutes Gefühl. Skinny Jeans sehen an 75% der Frauen (und Männer) nicht so wirklich gut aus, aber alle haben welche an (ich eingeschlossen!!) Dafür liegt eine andere, ältere Jeans im Schrank.
Instagram oder auch Pinterest sind tolle Inspirationsquellen: Rezepte, Interior, Quilts, Schnittmuster, Persönlichkeiten. Aber oft, oft, oft eben auch um zu kaufen. So wie der Heine,Otto,Quelle- Katalog der früher regelmäßig im Briefkasten lag.
Oder nehmt mein Blog: ich empfehle euch unsere Lieblingsbücher oder zeige auf Insta welche Deko auf #thiswhiteikeatabel steht. Und animiere euch damit vielleicht auch zu konsumieren. Mache Marketing für Dinge die ich mag. Und werde dafür noch nicht mal bezahlt.
Unternehmen die Sachen herstellen, die nicht zum Überleben gebraucht werden, leben davon das ich und andere ( Privatleute auf Insta oder Blogger oder Profis die Influencer sind) genau das tun und natrülich auch davon, dass ich und andere hinsehen und diese Inspirationen konsumieren. Gerade jetzt: Kerzen, Adventskränze, Adventskalender, Geschenke-Tipps und und und: eine einzige Verkaufs-Show.
Gleichzeitig schafft dieser Konsum auch Arbeitsplätze, Wirtschaftsaufschwung, belebte Innenstädte und andere durchaus gute Dinge. Die Schattenseite sind aber auch Umweltverschmutzung, ein Müllproblem, Ausbeutung von Arbeitskräften hier und in Entwicklungsländern, Zerstörung von Lebensräumen von Menschen und Tieren, zunehmende Überschuldung.
Ich will nicht mit schlechtem Gewissen einkaufe, shoppen, es bei uns zu Hause schön machen. Aber sollte ich nicht trotzdem ein schlechtes Gewissen haben, zumal wir wissen, wie eine Vielzahl der Dinge hergestellt werden, die wir kaufen?
Und weil wir wissen, das H& M Sachen die wir dann nicht kaufen, verbrennt? Das kein Dekoladen alla "Depot" die Sachen die wir nicht kaufen, für das nächste Jahr in ein Lager stellt und sie dann wieder rausholt (weil dann der nächste Trend da ist der uns zum neukaufen animieren soll) sondern alles irgendwann auf der Halde oder in der Verbrennung landet. Ist das denn wirklich besser als wären die Sachen bei mir im Schrank?
Wenn ich auf diese komplexen Themen schaue und feststelle, das ich noch nicht mal eine richtige Meinung, geschweige denn eine Lösung habe, dann merke ich: alles hat seine Schattenseiten. Wie steht ihr dazu, wie löst ihr das für Euch, macht ihr Euch eigentlich darüber auch Gedanken?